Parkpflegewerk für die Gartendenkmale Lehnepark, Alter Park und Franckepark

Vogelperspektive auf barocke Pflanzung mit Gehölz-Spirale

Lebendige Gartendenkmale - Interview mit Landschaftsarchitektin Anke Werner

Landschaftsarchitektin Dr. Anke Werner ist mit ihrem 2005 gegründeten Büro spezialisiert auf Gartendenkmalpflege, denkmalpflegerische Gutachten, Wiederherstellungs­planungen. Zu ihren Schwerpunkten zählen auch die Entwicklung von Konzepten zum Gartentourismus, Parkanlagen-Management und Öffentlichkeitsarbeit für Parks und Gärten. Im Auftrag des Straßen- und Grünflächenamtes Tempelhof-Schöneberg hat sie ein Parkpflegewerk für drei zusammenhängende historische Parkanlagen in Alt-Tempelhof erarbeitet: den Lehnepark, Alten Park und Franckepark.

Die historische Arbeit stellt ja ganz andere Anforderungen als eine Neuplanung von Grünanlagen. Warum haben Sie sich auf die Dokumentation und Entwicklungskonzeption historischer Parks und Gärten spezialisiert? 

Ich bin seit 1995 in dem Bereich tätig und habe mich seit meinem Studium schwerpunktmäßig mit historischen Parkanlagen befasst, aber gleichzeitig natürlich nie den Blick auf Neuentwicklungen verloren. Bei dieser historischen Untersuchung und auch bei den Konzepten, die ich erstelle, gehe ich auch auf die heutigen Bedürfnisse ein. Aus beidem formuliert man die Ziele eines Parkpflegewerks. Man orientiert sich an der Historie, ohne die heutige Nutzung außer zu Acht lassen. Ich mache das, weil ich das für sehr nachhaltig halte. Man erhält, was vorhanden ist, man spart Ressourcen und man fördert durch eine denkmalverträgliche Pflege die Ökologie und den Klimaschutz durch den Erhalt dieser Grünflächen.

Kannten Sie die Kette der Parkanlagen, bevor Sie beauftragt wurden?

Ich kannte sie, weil sie in der Umgebung vom Rathaus Tempelhof liegen, wo das Straßen- und Grünflächenamt sitzt, aber ich hatte mich noch nicht näher mit ihnen beschäftigt, das ist bei den hunderten Parkanlagen in Berlin gar nicht möglich. Es ist sogar von Vorteil, wenn man einen unverstellten Blick hat. Man kommt zunächst wie jeder andere in den Park und bemerkt zum Beispiel dunkle Ecken und Eingänge, die man allein vielleicht lieber meiden würde. Solche Sachen fallen einem eher auf, wenn man nicht so detailliert drinsteckt und auch nicht selbst dort wohnt, denn man wird ja betriebsblind. Deshalb ist ein unverfälschter, unvoreingenommener Blick gut.

Was beinhaltet das Parkpflegewerk und wozu wird es benötigt?

Ein Parkpflegewerk ist dazu da, Entwicklungsziele festzulegen, um Pflege und Weiterentwicklung eine Richtung zu geben, in Anlehnung an die Historie. Ziel ist, den Charakter des Parks nicht vollkommen zu verändern oder zu verwässern, aber ihn gleichzeitig langfristig als schönen, gut nutzbaren Park zu erhalten. Man nimmt sehr behutsam und nachhaltig das Positive auf und entwickelt es behutsam weiter. 

Viele Vorschläge aus dem Parkpflegewerk betreffen Pflegemaßnahmen. Da geht es oft einfach ums Aufräumen, z.B. bei zugewachsenen Eingängen: Man kommt in den Park und fühlt sich erst einmal nicht wohl, es ist dunkel, man hat keinen Überblick. Was gestalterisch wichtig war, ist zugewachsen. Da ist es oft sehr einfach: Man nimmt die störenden Sträucher heraus oder schneidet sie zurück und legt in Anlehnung an die Historie eine neue Unterpflanzung an. Das sind sehr behutsame Vorschläge, die zu einem Ergebnis führen, das eine große Verbesserung bringt. 

Im Moment passiert das auch schon an einigen Stellen, das sieht vielleicht erst einmal ein bisschen erschreckend aus, aber die stark zurückgeschnittenen Sträucher entwickeln sich wieder. 

Gleichzeitig gibt es aber auch Möglichkeiten für Weiterentwicklungen. Zum Beispiel im nördlichen Franckepark. Wo heute wenig genutzte Wiesen mit ein paar Bäumen sind, waren in den 1920er Jahren Spiel- und Sportflächen angelegt worden. Dort kann man sich zum Beispiel wieder Spiel- und Sportflächen vorstellen, die sich an die Grundstrukturen vor 100 Jahren anlehnen. Das ist natürlich ein Prozess, der noch weitere Planungsschritte erfordert. 

Linden auf dem Spielplatz im Franckepark

Wie geht man mit Zielkonflikten zwischen Denkmalschutz und anderen wichtigen Anliegen wie Freizeitnutzung, Natur- und Klimaschutz oder Barrierefreiheit um?

Es ist gerade Sinn und Zweck dieses Parkpflegewerks, dazu Vorschläge zu machen. Die erwähnten Spiel- und Sportflächen zum Beispiel stehen dem Denkmalschutz nicht entgegen. Es ist im Gegenteil unser Bestreben, dass der Park in diesen Bereichen auf Grundlage der Historie reaktiviert wird. Der Denkmalschutz wird oft als Verhinderer dargestellt; das ist gar nicht der Fall, sondern es geht darum, gemeinsam zu überlegen, wie man einen denkmalgeschützten Park behutsam weiterentwickeln kann. 

Ein Beispiel ist der Spielplatz im Franckepark: Ursprünglich war dort ein „Lindengang“, also ein Weg mit Linden an beiden Seiten. Es war in den 1920er Jahren in der Nähe ein kleiner Spielplatz geplant, diese Idee ist damals aber nicht umgesetzt worden. 

Dann ist anstelle des Lindengangs in den 1980er Jahren ein Spielplatz angelegt worden, damals nicht besonders denkmalgerecht. Aber der Spielplatz ist jetzt da und er ist auch sinnvoll und notwendig. Rückentwickeln kann man das nicht mehr, deswegen ist es sinnvoll, den Ort behutsam weiterzuentwickeln. 

Der Spielplatz ist deshalb erweitert worden, auf dem Gelände, das sowieso schon beeinträchtigt war. Solche Überlegungen stelle ich natürlich in Rücksprache mit den Beteiligten an. Aus reiner Denkmalsicht, wenn ich alle Nutzerinteressen ausschalten würde, könnte man sagen: Da kommt der Lindengang wieder hin. Das ist aber Quatsch, denn der Bedarf und der Wunsch nach einer Weiterentwickelung ist da. 

Deshalb macht man Vorschläge für eine denkmalgerechte Weiterentwicklung. Zum Beispiel stehen auf dem Spielplatz alte Linden, die sollte man auf jeden Fall erhalten und vielleicht zukünftig neue Linden in diese Reihe pflanzen, sodass man zumindest noch andeutungsweise erkennt, was hier früher war. Am Eingang vom Spielplatz steht eine alte Bank, die markierte früher der End- und Blickpunkt dieses Lindengangs. Auch die sollte man erhalten, damit man sehen kann: Hier war mal was und jetzt ist es anders. Das ist alles Teil der sehr umfangreichen Arbeiten an einem Parkpflegewerk. Man versucht, das alles unter einen Hut zu bringen. 

Eine sehr komplexe Aufgabe. Wie lange haben Sie am Parkpflegewerk gearbeitet?

Eine ganze Weile, anderthalb bis zwei Jahre hat das gedauert. Man muss ja alles auswerten, nachdenken, zusammenfügen und zu Papier bringen. Es gibt auch viele historische Schriftstücke in Sütterlin oder Handschriften, die man heute kaum noch lesen kann. 

Schon mit der Bestandsaufnahme hat man ordentlich zu tun. Da ist man viel draußen, immer wieder im Laufe der Jahreszeiten. Welche Frühblüher sind da, wie ist die Herbstfärbung, welche interessanten Aspekte haben sich aus den Ideen ursprünglicher Gestalter im Laufe der Zeit entwickelt. 

Waldwiese mit wiederhergestelltem Francketeich

Können Sie auch Aspekte des Klimaschutzes und der Klimaresilienz mit einbringen oder auch Biodiversität, Insektenfreundlichkeit?

Im Lehnepark war z.B. alles voller Eiben, die sich selbst ausgesät haben. Darunter wächst so gut wie nichts: keine Stauden, keine Gräser, gar nichts. Es ist einerseits im Sinne des Denkmalschutzes, diese Eiben zu reduzieren und zum Beispiel Gruppen zu bilden. Dazwischen kann, in Anlehnung an die Historie, wieder eine Pflanzung angelegt werden, die sehr viel artenreicher ist. Das sind keine gesonderten Maßnahmen für ein bisschen Artenschutz; durch die Erhaltung eines gut gepflegten Gartendenkmals betreibt man eigentlich ununterbrochen Naturschutz und Artenschutz.  

Ein anderes Beispiel ist die Wiederherstellung des Restwassers vom Francketeich. Der war völlig verlandet. Die Sanierung war eine denkmalpflegerische Maßnahme, dadurch ist jetzt eine kleine Wasserfläche entstanden, die natürlich auch dem Mikroklima und dem Artenschutz zugutekommt. Es gibt auch Überlegungen, wie man das Regenwassermanagement denkmalverträglich einbindet, zum Beispiel indem man weitere früher vorhandene Gewässer reaktiviert oder zumindest andeutet, die durch den Bau des Teltowkanals um 1900 verlandet sind. Man darf nur nicht völlig abgehoben von dem eigentlichen Gestaltungsvorbild irgendetwas einbauen. Das Parkpflegewerk bietet viele Möglichkeiten, solche Weiterentwicklungen denkmalverträglich zu integrieren.

Ansicht der früheren Allee aus dem heutigen Bosepark zur Dorfkirche, Postkarte vor 1905

Wie ist die Kette von kleinen Parks entstanden? 

Das ist alles sehr verbunden mit der Ortsentwicklung – das Ganze ist eigentlich der Kern von Tempelhof. Bosepark, Lehnepark und Alter Park haben sich als Gutspark über Jahrhunderte aus dem Rittergut der Templer entwickelt. Die nördlichen Bereiche im Lehnepark waren noch bis in das 20. Jahrhundert Privatgärten. Früher gab es eine Allee, die aus dem Bosepark direkt auf die alte Dorfkirche zuführte, davon gibt es alte Postkarten, aus dem heutigen Bosepark fotografiert – diesen Blick hat man heute gar nicht mehr, die Wohnbebauung hat den Bosepark abgetrennt. Ab dem frühen 20. Jahrhundert sind die öffentlichen Parkanlagen entstanden. Die Grundstrukturen des Gutsparks findet man noch im Alten Park, aber auch im Lehnepark. 

Der Franckepark ist im 19. Jahrhundert auf Ländereien des ehemaligen Gutes, also Feldern, als Baumschul-Schaugarten entstanden. Und der sogenannte Francketeich, das war früher im 19. Jahrhundert ein sehr beliebter Badeteich, die Berliner sind dorthin in die Sommerfrische gefahren. Die Franckeschen Baumschulen hatten auch Gelände im Bereich des Alten Parks, es ist auch früher sehr vernetzt gewesen.

Blick über den Klarensee im Alten Park zur Dorfkirche

Welche historischen Zeiträume haben die deutlichsten Spuren hinterlassen?

Im Alten Park ist der Gutspark noch am deutlichsten zu erkennen, weil das Wegesystem von der Tendenz noch ziemlich gut erhalten ist. Im 19. Jahrhundert gab es diese typischen Brezelwege, also relativ viele geschwungene Wege. Das war ja damals ein privater Park, obwohl zum Teil schon öffentlich zugänglich. Anfang des 20. Jahrhunderts ist er zu einem städtischen Park geworden. In den 1930er Jahren hat man das Wegesystem vereinfacht und die vielen Schlängelwege beseitigt, denn man brauchte für den öffentlichen Park dann größere Rasenflächen. 

Man kann also sagen, dass der Alte Park das frühe 20. Jahrhundert am stärksten widerspiegelt. Die Liegewiese und der Durchgang zur Wohnbebauung an der Albrechtstraße sind aber erst in den 1950er bis 1980er Jahren entstanden. Unterschiedliche Epochen dienen also als Leitlinien für die verschiedenen Parkbereiche. Man muss schauen, was aus den verschiedenen Epochen wichtig für die Gesamtentwicklung des Parks ist und wie sich dann ein insgesamt harmonisches Gesamtbild ergibt, das Denkmalwert besitzt und sich auch in Anlehnung an die Historie weiterentwickeln kann. 

Die verschiedenen Phasen sind ja auch Teil der Entwicklung und Teil des Denkmals. Denkmalschutz bedeutet nicht: Wir wollen hier einen Landschaftspark des 19. Jahrhunderts wieder errichten. Da hat die Zeit schon sehr viel weitere Schichten und Entwicklungen abgelagert, die man berücksichtigen muss. 

Kommt es trotzdem vor, dass etwas rekonstruiert werden könnte?

Aus Denkmalsicht ist das kaum zu befürworten, das wäre ja eine Negierung der Geschichte. Wenn ich alles abreiße, was in den letzten 80 Jahren entstanden ist, weil mir das nicht gefällt, und wieder die Brezelwege aus dem 19. Jahrhundert baue – das wäre kein Denkmalschutz, das ist Disneyland.

Im Grunde muss man akzeptieren: Ein Denkmal hat sozusagen auch ein Leben und zeigt die Phasen und Entwicklungsschritte, welche die Gesellschaft widerspiegeln – das ist gerade das Interessante an einem Denkmal.

Haben Sie auch etwas Überraschendes entdeckt?

Spannend fand ich die Diskussion in den Archiven über die angeblichen unterirdischen Gänge im Umfeld der Kirche, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder auch wissenschaftlich untersucht wurden. Da gibt es ganz viele Vermutungen und sagenähnliche Interpretationen, man findet ganze Ordner darüber. Obwohl es für das Parkpflegewerk natürlich nicht so interessant ist. Da muss man aufpassen, dass man sich nicht in Details verliert. 

Dazu gehörte auch die Ruine im Franckepark, wahrscheinlich ein ehemaliges Pumpenhaus, das dort im Hang liegt. Darum ranken sich auch viele Sagen und Legenden. Es gab, bevor der Teltowkanal gebaut wurde, z.B. einen Wasserfall und auch Brunnenanlagen. Die Technik dafür war sehr wahrscheinlich in diesem Gebäude untergebracht. Das kann man u.a. aus alten Plänen mit Wasserleitungen schließen, die alle zu diesem Punkt führen. Solche Sachen sind natürlich sehr spannend. 

Wie kann man der Öffentlichkeit den Wert der Gartendenkmäler besser vermitteln?

Beispielsweise durch dieses Interview, aber ich bin auch ein großer Fan von Führungen durch die Parkanlagen. Zurzeit werden auch Infotafeln entwickelt, die erfahrungsgemäß gut angenommen werden. 

Was ich langfristig empfehlen würde, wäre eine Art „Parkranger“, das gibt es in Großbritannien schon häufig, ein Mittler zwischen Verwaltung und Bevölkerung. Jemand, der sich mit der Öffentlichkeit auseinandersetzt und die Leute einbindet und z.B. Kinder mit Suchspielen zu interessanten Pflanzen im Park führt, sodass sie Geschichten und Wissenswertes dazu erfahren und mit eigenem Tun begreifen. Dann verstehen die Menschen auch besser, was wir hier machen und warum. Es sollte nicht nur erklärt werden, sondern es geht vor allem um Interaktion. 

Im Lehnepark wurden jetzt im nördlichen Teil die Obstwiesen wiederhergestellt und geöffnet, das sind noch Obstbäume aus der alten Privatgartennutzung. Dort könnte man Nistkästen aufhängen und diese in Zusammenarbeit mit den Anwohnern betreuen. Dafür braucht man jemanden, der das organisiert, einen Ansprechpartner vor Ort, vielleicht auch für mehrere Parkanlagen. Er kann auch Anregungen aus der Öffentlichkeit aufnehmen, um sie gemeinsam weiterzuentwickeln. 

Obstwiesen im Lehnepark

Wie geht es denn hier mit der Entwicklung weiter? Wer wird das Parkpflegewerk nutzen?

Das Bezirksamt ist ja schon dabei, verschiedene Maßnahmen umzusetzen, beispielsweise wurde gerade zwischen Altem und Lehnepark an der Parkstraße der Aufwuchs gerodet. Das Grünflächenamt ist jetzt im Gespräch, wie man diesen Bereich gemäß dem Parkpflegewerk entwickeln kann. Verschiedene Maßnahmen laufen also schon. 

Welche weiteren Maßnahmen sind jetzt besonders vordringlich?

Ich halte die Eingangsbereiche für besonders wichtig. Sie sollten die Besucher freundlich und gepflegt empfangen. Dadurch schafft man eine Grundstimmung, die dazu führt, dass auch die Besucher sich umsichtiger verhalten, als wenn sie in einem vernachlässigten Bereich ankommen. 

Beispielsweise kann man überlegen, was mit dem Brunnensockel im Rosengarten des Franckeparks passieren soll, im Eingangsbereich aus Richtung der Siedlung "Am Franckepark". Es gibt im Parkpflegewerk viele solcher Maßnahmenvorschläge.

Wichtig ist auch, dass man die Pflege an die Ziele des Parkpflegewerks anpasst und das geschieht auch. Wenn Kapazitäten da sind, kann man dann schrittweise einzelne größere Maßnahmen umsetzen. 

Stand: Januar 2023